Deutsche Bauzinsen über 4 %: USA lässt grüßen


Die deutschen Bauzinsen mit einer Zinsbindung von 10 Jahren sind Ende August laut Interhyp wieder über 4 % gesprungen und markieren damit den höchsten Stand seit Beginn der Bankenkrise im März. Doch warum steigen die Zinsen bei gleichzeitig fallenden Inflationsraten und schwachen Wirtschaftsdaten in der Eurozone?

Beim isolierten Blick auf die Eurozone scheint dies widersprüchlich zu sein. Die Unternehmensstimmung, gemessen am Einkaufsmanagerindex, verschlechtert sich zunehmend: Nachdem das verarbeitende Gewerbe sich bereits seit einem Jahr im Kontraktionsbereich befindet, rutscht nun auch der Dienstleistungssektor raus aus dem Wachstumsbereich, rein in die Stagnation. Insbesondere in Deutschland verdüstert sich das Bild zunehmend, sodass eine Fortsetzung der Rezession des ersten Halbjahres zu erwarten ist. Der Stabilitätsanker und Wachstumsmotor der Eurozone im letzten Jahrzehnt wird langsam zum Problemfall. Neben den hausgemachten Problemen mit den hohen Energiekosten spielt auch der Einbruch der Exporte nach China eine wichtige Rolle. Die Wirtschaftsdaten aus China zeigen immer deutlicher auf, dass die Volkrepublik auf eine Finanz- und Liquiditätskrise zusteuert, welche sich ähnlich wie in den USA 2007/2008 aus fallenden Immobilienpreisen, ausbleibenden Kreditzahlungen, wankenden Immobilienentwickler und verunsicherten Investoren immer weiter hochschaukelt. Die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung in China und Europa spricht eigentlich für ein fallendes Zinsniveau. Auch die Zahlen bzgl. der Geldmengen und des Kreditwachstums in der Eurozone sind für die zukünftige Entwicklung nicht sehr positiv: Während die Geldmenge M3 zum ersten Mal seit 13 Jahren wieder leicht geschrumpft ist, sinkt die Geldmenge M1 (nur Bargeld und täglich fällige Einlagen) um fast 10 % im 12-Monatsvergleich. Auch bei der Kreditvergabe schrumpfte die Jahreswachstumsrate an den privaten Sektor auf nur noch 1,3 %. Dies bedeutet, dass sowohl die Konsumausgaben als auch die Investitionen in den nächsten Monaten eher bescheiden ausfallen dürften. Trotz allem sind die langfristigen Renditen der deutschen Staatsanleihen (und damit auch die Bauzinsen) in den letzten Wochen gestiegen. Die Frage ist nur: Warum?

Die Antwort liefert ein Blick in die Vereinigten Staaten. Der Renditeanstieg der langlaufenden begann Anfang August, nachdem die Ratingagentur Fitch der USA die beste Bonitätsnote AAA entzog und sie auf AA+ herabstufte. Dabei rückte ein altes Problem der USA wieder in den Fokus der Investoren: Die Staatsverschuldung. Mittlerweile sind es 32,8 Billionen $. Momentan liegt die durchschnittliche Verzinsung, die der US-Staat auf seine Schulden zahlt, lediglich bei knapp 3 %, d.h. die Zinslast wird in diesem Jahr ca. 1 Billion $ betragen. Die Zinslast wird aber im kommenden Jahr massiv ansteigen, da sich die USA in den letzten Jahren vorwiegend mit kurzlaufenden Anleihen refinanziert hat. Dies bedeutet, dass in den kommenden Monaten und im nächsten Jahr viele Anleihen auslaufen und zu sehr hohen Zinsen über 5 % refinanziert werden müssen, falls der Leitzins der FED auf dem aktuellen Niveau bleibt. Doch die steigenden Zinsen auf bestehende Schulden sind nicht der einzige Punkt, der zu einem Downgrade führte. Vielmehr weist Fitch auf die Neuverschuldung der USA hin, die in diesem Jahr wohl zwischen 8 % und 9 % des BIPs liegen wird. Vor dem Hintergrund, dass sich die USA aktuell noch in einem Wirtschaftsaufschwung mit historisch niedriger Arbeitslosigkeit und massiven Lohnerhöhungen befinden, ist diese Neuverschuldung ein Armutszeugnis für die Fiskalpolitik der US-Regierung. Nun steht die Frage im Raum: Was passiert mit der Neuverschuldung, wenn die USA in eine Rezession rutschen? Dann sinken die Steuereinnahmen, gleichzeitig steigen die Sozialausgaben und das BIP stagniert bzw. fällt. Die Neuverschuldung in Relation zum BIP würde auf zweistellige Werte „explodieren“. Der Staatshaushalt in den USA ist nicht nachhaltig aufgestellt, sodass die entscheidende Frage lautet: Wer kauft all die US-Staatsanleihen auf, die Monat für Monat durch die US-Regierung emittiert werden? Die US-Notenbank ist momentan auf der Verkäuferseite und reduziert ihre Bilanz um ca. 80 Milliarden $ pro Monat, darunter fallen ca. 60 Milliarden $ an Staatsanleihen, die nicht mehr refinanziert werden. Schon jetzt ist erkennbar, dass die beiden größten ausländischen Gläubiger China und Japan die Angebotsflut an Staatsanleihen ebenfalls nicht kaufen wollen. China hat sogar seine Bestände in den letzten 12 Monaten deutlich reduziert. Letztlich sind es die US-Bürger selbst, die ihr Kapital in Staatsanleihen anlegen müssen, um den eigenen Staat zu finanzieren. Doch solange die Wirtschaft einigermaßen ordentlich läuft und US-Unternehmen relativ gute Quartalszahlen vorlegen, wird ein großer Teil des Kapitals in Aktien investiert. Dadurch gibt es am Markt ein relativ hohes Angebot an Staatsanleihen im Verhältnis zur Nachfrage – als Ergebnis sinken die Anleihekurse und die Renditen steigen. Daher sind die langfristigen Zinsen im Laufe des Monats August auf ein 15-Jahres-Hoch gestiegen. Die hohen US-Zinsen haben dazu geführt, dass Anleger europäische Anleihen verkauft und in den US-Markt umgeschichtet haben. Der Verkaufsdruck auf dem europäischen Anleihemarkt hat auch das deutsche Zinsniveau steigen lassen.

Letztlich wird ein Abschwung bei den deutschen Bauzinsen erst dann eingeleitet, wenn der Arbeitsmarkt in den USA erste Schwächezeichen aufweist. Damit besteht die Chance, dass die Lohn-Preis-Spirale in den USA zerbrochen wird. Gleichzeitig würden sich die Wirtschaftsaussichten eintrüben. Dann würden die Investoren ihre Erwartungen an das längerfristige Inflations- und Zinsniveau nach unten revidieren und vermehrt langfristige US-Staatsanleihen aufkaufen.

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